Amazon verkauft jetzt als Zwischenhändler Kunstwerke. Eigentlich war es nicht anders zu erwarten, dass sich der Branchenriese aus Seattle diesen Markt auch noch erschließen wollte. Aber ist es ihm gelungen? Stellt diese Online-Plattform eine Alternative zu bestehenden Anbietern dar?
Eine gewölbte Landschaft, die an das abgeschnittene Hinterteil eines Huftiers denken lässt. Rechts neben der Kruppe dampft ein über die Schwerkraft erhabenes Flüsschen. Ein paar Hügel, die sich aus dem Ufer rechts daneben bilden. Und über allem ein feuriger Himmel, dem wir die baldige Ankunft der Schwärze der Nacht wünschen. Mit vernebelndem Pinselstrich hat eine Mandy Main das Ölgemälde signiert. Ich fühle mich ein wenig an Stellwände in der Stadthalle oder der Provinzfiliale eines Bankhauses erinnert. «Enchantment» ist in diesem Jahr entstanden und kostet 400 Dollar. Kein Künstlerbashing, nein, das schwebt mir nicht vor. Es ist nur so absonderlich und unwirklich, welche Blüten der Kunstmarkt heute so treibt. Denn was für ein Grauen: Amazon macht jetzt in Kunst. Alles noch beta. Bis heute hat der Konzern aus Seattle 150 Galerien eher unbedeutenden und mediokren Charakters gewonnen. Aber schon 40 000 Werke von 4500 Künstlern sind online. Frau Main ist eine der Protagonistinnen dieser Phase, in dem der Kunde als Versuchskaninchen herhalten muss.
Anfang August ging’s los. Und denkt man an Amazon, fällt es einem nicht schwer, ein Bild wie das oben angeführte als Angebot zu akzeptieren. Schräg wird es nur angesichts der Namen, die sich gleichfalls in der Datenbank des Netzriesen finden, denn dort gibt’s Picasso, Chagall, Dalí, Matisse. Internationale Klassiker der Moderne? Fehlanzeige. Alles ist abgesehen von den Selbstläufern aus Frankreich recht US-zentriert. Ob nun ein Käufer 4,5 Millionen Dollar für das derzeit teuerste Amazon-Gemälde des patriotischen Malers und Illustrators Norman Rockwell per One Click ausgeben möchte? Das sei dahin gestellt. Möglich ist es jedenfalls auf dieser doch unglaublich ungeordneten Seite, die sich, wie alle Produkte, die über die Plattform vertrieben werden, vollkommen an das komplette Angebot anschmiegen. Suchen Sie einmal nach Berenice Abbott, und Sie erhalten nicht nur Silber-Gelatine-Prints aus dem Portfolio der Holden Luntz Gallery in Palm Beach, die um die 6000 Dollar kosten, sondern natürlich auch Buchempfehlungen. So ist es mit dem Händler: Stephenie Meyer und Bram Stoker sind hier Nachbarn. Und genauso liegen die Dinge mit der Kunst.
Zu diesem Zeitpunkt fällt es schwer, die Spreu vom Weizen im «Angebot» zu trennen. Und es sieht vom System her betrachtet nicht danach aus, dass sich daran etwas ändern könnte. Schaut man etwa nach Francis Bacon, taucht eine Lithografie («Metropolitan», 1975, 200er Auflage, die Nummer des Abzugs ist nicht beigegeben, Hamilton-Selway Fine Art, 23 000 Dollar) auf. Daneben dann zwei wieder einmal qualitativ bedenkliche Arbeiten in Acryl. «Out of the Blue» eines Bob Hunt und «Hat Pins» von Elliot Coatney. Was die mit Francis Bacon zu tun haben, ist mir schleierhaft. In welche Meta-Tags wird denn was und warum eingeschrieben? Ein Versuch mit Stichworten – es könnte ja sein, dass hier ein Einfluss Bacons auf die beiden beschrieben wurde. Nichts logisch Verwertbares findet sich. In diesem Kuddelmuddel hilft einem weder kunsthistorische Terminologie, in programmierte Schlagworte gegossen, noch sonst ein aus dem Kunstsystem bekanntes Ordnungskriterium. Lediglich zwischen Zeichnung, Mischtechniken, Malerei, Fotografien, Drucken wird unterschieden. Und das ist definitiv zu wenig.
Ernsthafte Sammler verirren sich wohl kaum hierher. Es sei denn, es interessiere ein ganz spezielles Stück, nur hier exklusiv zu erwerben. Aber das klingt unwahrscheinlich. Außerdem erfährt man im Prinzip nichts über die Werke und ihre Provenienz. Für Details muss man also den Anbieter kontaktieren. Warum dann nicht gleich? Na klar, Amazon streicht bis zu 20 Prozent Provision ein. Vielleicht ist jedoch das Auftreten dieses Angebots ein Symptom für den gewandelten Markt, auf dem Kunst wie Kartoffeln oder Aktien gekauft wird? Eine gruselige Vorstellung.