Trickfilmkollaborateure

Der Exquisite Forest

Haben Sie schon einmal einen Zeichentrickfilm gedreht? Nicht? Dann steuern Sie bei Gelegenheit einmal www.exquisiteforest.com an. Auf dieser innovativen und extrem interaktiven Site von Chris Milk und Aaron Koblin lassen sich im Nu kleine Animationen erstellen. Aber wenn das alles wäre, brauchte kaum ein Wort zu fallen. Denn die Site ist ein Mitmachkunstwerk der besonderen Art. Verabschieden Sie sich am besten gleich vom Stolz am eigenen Produkt, denn hier wächst etwas, das erst dann lebendig wird, wenn andere das Geschaffene erweitern oder verfremden und in neue Filme transformieren.

Wenn man sich einen Nutzernamen angelegt hat, kann sofort gezeichnet werden. Allerdings lohnt der Blick auf die deutlich platzierten Rundgänge, selbst wenn die Oberfläche absolut intuitiv programmiert ist. Auf den Bildschirm sieht man einen eher schütteren Wald, aber diese Darstellung dient der Navigation. Im unteren, dunklen Rand, der wie ein Blick aufs Wurzelwerk anmutet sind die schon existierenden Bäume in einer Schnellansicht aufgelistet. Mit der Maus zeigt man horizontal nach rechts oder links und „wandert“ so durch die Vegetation. Bevor der Besucher allerdings selbst pflanzen kann, muss er einem bereits bestehenden Stamm einen Ableger zufügen.

Das Projekt lebt – wie jede Site, die aufs Mitmachen abzielt – von den Beiträgen der Nutzer. Mittlerweile existiert eine Unzahl von Stämmen in dieser digitalen Schonung. Am besten schaut man sich erst einmal um und genießt die einzelnen Kreationen. Die sind zum Teil sehr überraschend schön und bisweilen sehr poetisch. Schnell wird dann das Prinzip ersichtlich. Der Pflanzer kann nämlich über den Inhalt mitbestimmen. User bobnjoe zeichnete „The Red Ball“ auf und gab als Anweisung bei, es müsse in jedem Frame, also Einzelbild, ein roter Ball auftauchen. Hat man sich ein wenig durchgeklickt und vielleicht schon einen Baum gefunden, an dem man mitwirken möchte, öffnet man am besten gleich den Editor. Der Bildschirm verändert sich dann. Es werden noch einmal die Instruktionen aufgelistet, und man hat die Wahl zwischen einer „Tour“, die erklärt, wie das Erstellen eines Films funktioniert, oder eben der Werkzeugkiste, damit man gleich loslegen kann.

Acht kleine Zeichnungen mindestens bilden eine Animation. Sind diese zusammengesetzt, müssen sie zunächst gespeichert und publiziert werden, bevor eine Erweiterung möglich ist. Die bereitgestellten Werkzeuge sind intuitiv zu erfassen. Es lassen sich Einzelbilder aus dem Quellfilm duplizieren, was die Fortsetzung eines existierenden Films erheblich vereinfacht. Es gibt die Typischen Farbpaletten, eine Vielzahl von Pinselformen oder ein Radiergummi. Man bekommt quasi die Grundausstattung eines Zeichenprogramms. Das Zusammensetzen zu einem Film besorgt das Programm selbst. Es bereitet Freude, sich in die Bildwelt des Films eines anderen Autors einzudenken und dazu einen eigenen Beitrag zu leisten. Ist dieser fertig, wird er dem Baum als Ast hinzugefügt und der wächst, mit jeder Addition. Je mehr Äste, desto spannender der Film.

Um mitzumachen benötigt der Surfer einen Account bei Google und einen aktuellen Browser, der die so genannte Webkit-Engine zur Darstellung der Internet-Seiten einsetzt. Es funktionieren allerdings nur Googles Chrome und Apples Safari. Produziert haben das Projekt Google und die Tate Modern in London. Das Programm ist eine fantastische Angelegenheit und führt höchst ästhetische Gedanken eines erweiterten Kunstbegriffs auf eine alltagstaugliche Ebene. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn das Projekt auch ohne Googelei funktionerte. Immerhin weisen die Autoren den Nutzer zu Beginn auf die Einschränkungen hin. Dennoch wäre es gerade in der heutigen Zeit des plattformübergreifenden Rechnens schön gewesen, die Site der großen Gemeinde anderer Browser-Nutzer zur Verfügung zu stellen.