Jirka Pfahl stellt mit Blick auf seine Arbeit „Punch“ (2010) den Betrachter als Handelnden auf die Probe. Und zwar auf äußerst vielschichtige Arte und Weise. „Punch“ bedient sich des Quadrats als einer Kardinalform der Kunstgeschichte der Klassischen Moderne. Auf den ersten Blick könnte es als ein Werk der sakrosankten Konkreten Kunst gehalten werden. Es hängt quasi selbstgenügsam als das, was es ist, an der Wand des Ausstellungsraums und zeigt nicht mehr, als eben ein weitgehend monochromes, beiges Quadrat mit einer nicht ganz ebenen Oberflächenstruktur. Aber es ist aus Leder und soll geschlagen werden. Ist dies ein ikonoklastisches Werk?
Eine ganze Reihe von Kunstwerken, vornehmlich aus der Gattung der Performance, fordern und forderten Rezipienten heraus, ein mehr oder weniger aktives, moralisches Verhalten mit Blick auf den performierenden Künstler oder ein Kunstwerk an den Tag zu legen. „Rhythm 0″(Studio Morra, Neapel) von Marina Abramović führte 1974 stellvertretend für viele nachfolgende Aktionen vor, wie die Indienstnahme des Publikums zum Zwecke der Kunst ablaufen kann: Man serviere eine Reihe von Gegenständen und impliziere mit deren Arrangement den Gebrauch derselben am naturgemäß nackten Frauenkörper. Ob Salbung oder Verletzung – das lag in der Hand des Besuchers, der den Erzählungen gemäß rege Gebrauch von Ölen wie Rasierklingen machte. Abbruch. Formiert in diesem Falle ein Akt passiver Autoaggression einen Handlungsraum in Form eines sozialen Experiments, in dem prinzipielle Gesetzmäßigkeiten des Kunstbetriebs bereits in der „Versuchsanordnung“ überschritten werden, stellt „Punch“ von Jirka Pfahl den Betrachter und nicht sogleich den Handelnden auf die Probe. Und zwar auf äußerst vielschichtige Arten und Weisen. „Punch“ bedient sich des Quadrats als einer Kardinalform der Kunstgeschichte der Klassischen Moderne. Auf den ersten Blick könnte es als ein Werk der sakrosankten Konkreten Kunst gehalten werden. Es hängt quasi selbstgenügsam als das, was es ist, an der Wand des Ausstellungsraums und zeigt nicht mehr, als eben ein weitgehend monochromes, beiges Quadrat mit einer nicht ganz ebenen Oberflächenstruktur. Das Malerische an ihr ist weniger wolkig als etwa ein Kissenbild von Gotthard Graubner, aber der Betrachter erkennt schnell, dass es sich eben nicht um Malerei handelt. Das Leder, aus dem das Objekt besteht, lässt jedoch die Interpretation zu, es handele sich um ein Zitat der Malerei in Form eines Objekts, was eine nicht unübliche Strategie der Moderne-Kritik mit Mitteln der Postmoderne wäre.
Dennoch birgt die Arbeit gemäß der Intention von Jirka Pfahl den Appell an den Betrachter, eine seltener infrage gestellte Grenze zu überschreiten und Sachbeschädigung im Sinne des Künstlers zu begehen. Einziger Hinweis hierauf ist der Titel der Arbeit: „Punch“. Zu Deutsch unter anderem „Fausthieb“, aber auch „Kasper“, gleichermaßen lesbar als Imperativ a la „Hau‘ drauf!“. Wie wird man dieser Aufforderung gewahr, wenn man sich allein im Raum befindet? Wie reagiert der Betrachter etwa im Rahmen einer Vernissage, wenn er sieht, dass andere auf das Bild eindreschen? Und was ist das wiederum für ein Bild, eines solchen Nicht-Ikonoklasmus ansichtig zu werden? Der kulturell implantierte Respekt vor Werken der Bildenden Kunst lässt sich sicher nicht durch diese Arbeit austreiben. Das wäre naturgemäß auch nicht gerade wünschenswert. Überdies geht es zwar auch um die Herausforderung institutioneller Gewohnheiten. Doch eine weitere Frage stellt sich gleichermaßen ex negativo: Wann ist der Punkt gekommen, an dem ich heraustrete aus der passiven Haltung als Zuschauer und Verantwortung für meine Handlungen übernehme als Agierender? Und wie weit darf ich gehen, wenn ich quasi den ersten Schritt zum aggressiven Akt des Hiebs gegangen bin? Die Komplexität der durch „Punch“ aufgeworfenen Fragen verdankt sich dieser, die Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts zitierenden Subtilität. Nicht nur eine Grenze, nein, eine ganze Reihe von Grenzen der Kunst werden in der „Benutzung“ von „Punch“ offenbar. Und je mehr das Werk hinter der modernen Fassade verschwindet, umso beunruhigender wird es in seinem Appell.
Matthias Kampmann (c) 2011