Über ein Brevier hinaus

Jubilare müssen bisweilen postum erdulden, dass aus Marketinginteresse der Verlage eine Unmenge von Büchern den Markt überschwemmen, die das Ziel verfolgen, selbst komplexe Werke von historischen Autoren auf den kleinsten gemeinsamen Nenner von Merkantilität und Inhaltlichkeit zu reduzieren. Meist sind es wieder aufgelegte Kompilationen ohnehin leicht zugänglicher Texte, und wenn der Leser Glück hat, bekommt er nicht nur ein hübsch aufgestyltes Druckwerk, sondern gelegentlich einen aller Wahrscheinlichkeit selbst schon historischen Kommentar, noch seltener einen kritischen Apparat geliefert. Das „Rousseau-Brevier.“ hingegen verdankt sich einem anderen Impuls, selbst wenn es 2012, also im 300. Geburtsjahr des französischsprachigen Schriftstellers, Philosophen, Pädagogen, Naturforschers und Komponisten der Aufklärung erschienen ist. Es mag sein, dass der Titel den Gedanken des potenziellen Käufers auf jene Häppchenware lenkt. Er sieht sich dann wohl enttäuscht, denn wer in drei Sätzen das Leben und Werk Rousseaus durch Bernhard H. F. Taureck und Friedrich Herb kondensiert erwartet, hat ins falsche Regal gegriffen. Die beiden Philosophen haben vielmehr nichts Geringeres unternommen, als Teile von Schlüsseltexten Rousseaus auf ihre Kerngedanken hin zu betrachten, um daraus ein komplexes aber jederzeit nachvollziehbares Storyboard zu entwickeln, mit dem der Leser sich das Gedankengebäude des rigorosen Bekenners und Selbstanalytikers zu erschließen vermag. Taureck kommt hierbei das Verdienst zu, die von ihm besprochenen Auszüge selbst übersetzt zu haben.

„Über ein Brevier hinaus“ weiterlesen